Andreas Villwock
Die Meere haben sich in den vergangenen 25 Jahren stärker erwärmt als bisher vermutet. Die Klimaerwärmung ist demnach schneller vorangeschritten als befürchtet. Das hat das GEOMAR Helmholtz-Zentrum für Ozeanforschung in Kiel zusammen mit Wissenschaftseinrichtungen aus China, Frankreich und den USA herausgefunden. Was die Ergebnisse für die Bewertung des Klimawandels bedeuten, erklärt GEOMAR-Pressesprecher Andreas Villwock.
Herr Villwock, worum geht es in Ihrer Studie zur Meereserwärmung?
Bei der Studie geht es darum, abzuschätzen, wie viel von der durch den anthropogenen Treibhauseffekt in der Atmosphäre zurückgehaltenen Energie vom Ozean aufgenommen wurde. Mit Hilfe der Analyse wird deutlich, dass mehr Wärme vom Ozean aufgenommen wurde, als bisher angenommen. Das ist schwer zu messen, weil es nicht damit getan ist, die Oberflächentemperatur zu ermitteln, sondern den Wärmeinhalt des gesamten Ozeans abschätzen muss. Bisher wurde schon davon ausgegangen, dass im Ozean etwa 90 Prozent der Wärme gespeichert sind. Sie ist für die langfristige Entwicklung der Temperaturen auf unserem Planeten maßgeblich. Das heißt, wenn mehr Wärme gespeichert ist, dauert es länger, bis sie wieder in den Weltraum abgestrahlt ist. Ergo fällt die zu erwartende Klimaerwärmung dann höher und auch länger aus.
Findet sich diese Einschätzung auch im Sonderbericht des Weltklimarats?
Der Sonderbericht des IPCC geht im Kern darauf ein, welche Maßnahmen notwendig sind, um die globale Erwärmung auf 1,5°C zu begrenzen. Dazu wurden möglichst viele wissenschaftliche Ergebnisse der vergangenen Jahre zusammengetragen und bewertet. Unsere Studie konnte nicht explizit darin einfließen, da sie erst nach dem Erscheinen des Sonderberichtes erschienen ist.
Die Anstrengungen gegen die Klimaveränderung müssten angesichts der Situation verstärkt werden?
Es ist auf jeden Fall ein Signal, dass wir die gegenwärtige Situation nicht überschätzt, sondern eher unterschätzt haben. Um ein Ziel, ob 1,5 oder 2°C zu erreichen, müssen wir uns eher mehr als weniger anstrengen.
Bei der Diskussion um die Klimaerhöhung wird über die 1,5°C- beziehungsweise 2°C-Grenze gesprochen. Können Sie kurz erklären, woher dieser Wert rührt.
Die Grenzen sind etwas willkürlich gesetzt. Aber der Konsens in der Wissenschaft ist, dass wir vor unangenehmen, zum Teil auch irreversiblen “Nebenwirkungen” der Erwärmung nur relativ sicher sein können, wenn wir es schaffen, die Klimaerwärmung unter 2°C, besser unter 1,5°C zu halten.
Welche Konsequenzen würde ein Überschreiten der Grenze nach sich ziehen?
Dazu zählt zum Beispiel das Verschwinden des grönländischen Inlandeises, das den globalen Meeresspiegel um bis zu sieben Meter in einigen Tausend Jahren heben könnte oder das saisonale Verschwinden des arktischen Meereises. Da die Unsicherheiten bei der Entwicklung einiger dieser Prozesse sehr groß sind, hat man sich das sehr ambitionierte 1,5°C-Ziel gesetzt.
Immer häufiger wird über großtechnische Verfahren diskutiert, mit denen sich Kohlendioxid der Atmosphäre entziehen ließe. Was ist von solchen Methoden des Climate Engineerings oder Geoengineerings zu halten?
Es gibt Vorschläge für eine Vielzahl von Verfahren, um aktiv Kohlendioxid aus der Atmosphäre zu entfernen. Wenn man das 1,5°C-Ziel erreichen will, sind sehr ambitionierte Reduktionen der globalen Kohlendioxidemissionen notwendig, die man mit hoher Wahrscheinlichkeit nicht ohne solche Verfahren mit „negativen Emissionen“ erreichen wird. Viele der vorgeschlagenen Verfahren sind technisch sehr ambitioniert, wenn es darum geht, mit ihnen eine globale und substantielle Wirkung zu erzeugen. Viele bergen ein erhebliches Risiko an Nebenwirkungen. So beeinflusst Eisendüngung beispielsweise großskalig das marine Ökosystem. Andere sind auch rechtlich problematisch, zum Beispiel das “Abdunkeln” der Sonne durch Aerosole in der höheren Atmosphäre, oder sind zumindest hierzulande nicht durchsetzbar, wie die Speicherung von Kohlendioxid im Untergrund.
Wie bewerten Sie als Klimawissenschaftler die staatlichen Maßnahmen in Deutschland gegen den Klimawandel?
Wir alle müssten deutlich mehr tun – ob mit staatlichen Maßnahmen oder ohne. Natürlich muss die Politik die Rahmenbedingungen schaffen, um eine rasche und substantielle Reduktion der Treibhausgasemissionen hinzubekommen. Da bin ich gegenwärtig leider nicht sehr zuversichtlich, dass uns das im erforderlichen Rahmen gelingen wird.
Die Fragen wurden per E-Mail gestellt.
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